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CO2-Reduktion in der Binnenschifffahrt Wie die Schifffahrt den CO2-Ausstoss senken will – und wo sie noch strauchelt

Laut einer Studie wäre auf Thuner- und Brienzersee mit Wasserstoff ein klimaneutraler Schiffsbetrieb möglich. Die BLS Schifffahrt AG gibt sich jedoch zurückhaltend. Dennoch ist die Reduktion der CO2-Emmissionen für alle Schiffahrtsgesellschaften ein wichtiges Ziel.

Die MS Rütli wird aktuell auf Elektrobetrieb umgerüstet und wird ab dem kommenden Sommer emissionsfrei auf dem Vierwaldstättersee unterwegs sein. Foto: SGV

Bei der BLS Schifffahrt stehen Neuanschaffungen an: Sowohl für den Thuner- als auch für den Brienzersee will das Unternehmen je ein neues Schiff beschaffen. Der Antrieb ihrer Flotte erfolgte bisher mit herkömmlichen Dieselmotoren und fossilen Brennstoffen. Das will – und soll – das Schifffahrtsunternehmen ändern. Sollen deshalb, weil die konzessionierte Kursschifffahrt in der Schweiz zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zählt. Die Energiestrategie des Verbandes öffentlicher Verkehr VöV sieht vor, den Strassen- und Schienen-ÖV bis 2040 CO2-neutral anzutreiben.

Etwas anders sieht die Situation bei der Binnenschifffahrt aus: Eine zeitnahe Umstellung aller Schiffe auf umweltfreundliche Antriebe ist schwierig. Einerseits sind die Schiffe zum Teil seit mehr als 100 Jahren im Einsatz, andererseits ist heute noch keine CO2-neutrale, erneuerbare Antriebstechnologie für grosse Kursschiffe, die längere Strecken mit Fahrplangeschwindigkeit bewältigen müssen, verfügbar. Deshalb stehen die Schifffahrtsunternehmen nicht in der Pflicht, ihre Schiffe ab 2040 CO2-neutral zu betreiben. Sie sollen jedoch ihren CO2-Ausstoss soweit möglich reduzieren.

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Naheliegend also, dass die im Berner Oberland beheimatete BLS Schifffahrt vor der Auftragsvergabe für die beiden Neuanschaffungen alternative Antriebsformen prüfen wollte. In der «Wyss Academy for Nature» fand sie die Treiberin und Finanzgeberin für eine entsprechende Machbarkeitsstudie. Mit dem Amt für Umwelt und Energie des Kantons Bern, der am Vierwaldstättersee ansässigen Werft Shiptec AG, oder der Kraftwerke Oberhasli waren weitere wichtige Akteure in die Studie involviert. Die Studie sollte aufzeigen, wie weit der Betrieb von Kursschiffen auf Thuner- und Brienzersee mittels Wasserstoff möglich ist.

Theoretisch machbar

Das Ergebnis der Studie: «Die Umsetzung eines wasserstoffbetriebenen Fahrgastschiffes samt Sicherstellung der Wasserstoffversorgung scheint aus heutiger Sicht umsetzbar. Dies sowohl unter technologischen, versorgungstechnischen als auch wirtschaftlichen Aspekten.» Eine Hürde scheint jedoch momentan noch fast unüberwindbar: Die Mehrkosten. Diese betragen inklusive der notwendigen Wasserstoff-Tankstelle laut der Machbarkeitsstudie rund sieben Millionen Franken.

Werden die neu zu beschaffenden Schiffe für den Thuner- und den Brienzersee künftig also mit Wasserstoff betrieben? «Nein», beantwortet Martin Bischoff, Leiter Technik bei der BLS Schifffahrt AG, die Frage. «Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Schiff mit Wasserstoffantrieb inklusive der notwendigen Infrastruktur für uns schlichtweg nicht finanzierbar.» Da das neue Schiff für den Thunersee seine Fahrt schon im Jahr 2026 aufnehmen wird, ist die Planung bereits weit fortgeschritten. Die Wahl fiel auf einen Hybridmotor. «Im Vergleich zu einem herkömmlichen Dieselmotor lassen sich damit rund 15 Prozent an CO2-Ausstoss einsparen», erklärt Bischoff.

Die zweite Neuanschaffung für den Brienzersee wird frühestens in vier bis fünf Jahren erfolgen. «Es ist anzunehmen, dass sich bis dahin bezüglich Kosten und Technik für Wasserstoffantrieb noch einiges tun wird», erläutert Bischoff. Und fügt an, dass «wir dann auf jeden Fall den Einsatz eines mit Wasserstoff betriebenen Schiffes prüfen werden.»

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Bis dahin will das Unternehmen seinen CO2-Ausstoss mittels anderer Massnahmen weiter reduzieren. Beispielsweise prüft es den Einsatz von Bio-Diesel oder mögliche Fahrplanoptimierungen. Zudem muss in den nächsten fünf bis zehn Jahren die gesamte Flotte – ausgenommen die Dampfschiffe – neu motorisiert werden: «Wir werden die alten Dieselmotore durch neue, effizientere Antriebe ersetzen», so Bischoff.

Die SGV plant die MS Saphir auf einen Brennstoffzellen-Wasserstoffantrieb umzubauen. Läuft alles nach Plan, ist sie ab Sommer 2026 auf dem Vierwaldstättersee unterwegs. Foto: SGV

Erstes wasserstoffbetriebenes Schiff 2026

Das erste wasserstoffbetriebene Schiff der Schweiz wird wohl nicht auf einem der beiden Berner Oberländer Seen, sondern in der Zentralschweiz kreuzen. Die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee SGV plant, das Motorschiff Saphir auf einen Brennstoffzellen-Wasserstoffantrieb umzubauen. «Läuft alles nach Plan, nimmt die umgebaute Saphir ab Sommer 2026 ihren Betrieb auf», freut sich Werner Lüönd, Leiter Marketing & Sales der SGV. Die Investitionskosten für den Umbau des Schiffes und für den Bau der Tankanlage belaufen sich nach heutigem Kenntnisstand auf rund 5,5 Millionen Franken. «Die SGV trägt diese zu zwei Dritteln selbst», erklärt Lüönd. Der Rest werde durch ein Förderprogramm des Bundes, durch die Betankungspartner und durch die Shiptec AG – einer Schwesterunternehmung der SGV – übernommen.

Die SGV hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil an fossilen Treibstoffen in ihrer Kursschifffahrt bis 2026 im Vergleich zum Jahr 2019 um 20 Prozent zu reduzieren. Einen grossen Batzen auf dieses Ziel einzahlen wird die Elektrifizierung des Motorschiffes «Rütli», die aktuell in vollem Gange ist. Die «Rütli» ist mit Jahrgang 1929 das älteste Motorschiff der Flotte. Nach ihrer Wiederinbetriebnahme als Elektroschiff wird sie das erste Schiff sein, das auf dem Vierwaldstättersee keinen CO2-Ausstoss mehr produziert.

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Mit der MS Diamant steht bei der SGV zudem seit 2017 das erste Schweizer Passagierschiff mit Hybridantrieb im Einsatz. Die MS Diamant verbraucht rund 20 Prozent weniger Treibstoff als ein herkömmliches Passagierschiff. Die 600 Tonnen an CO2, welche sie jährlich ausstösst, investiert die SGV seit Beginn in ein Klimaschutzprojekt von myclimate.

Optimieren mit KI

Wann der Schiffsbetrieb Walensee seine Schiffe mit emissionsfreien Antriebslösungen versehen wird, ist derzeit noch unklar. Seinen CO2-Ausstoss reduzieren will er aber trotzdem. Damit er dies möglichst effektiv tun kann, setzt er ein noch eher ungewöhnliches Mittel ein: Künstliche Intelligenz.

«Für mich ist künstliche Intelligenz wie ein Hammer oder ein Schraubenzieher – sie ist ein Werkzeug.»

Daniel Grünenfelder, Geschäftsführer Schiffsbetrieb Walensee AG

Alle fünf Schiffe der Walensee-Flotte haben neben den Passagieren auch spezielle Sensoren und Messgeräte an Bord. Sie sammeln während der Fahrt alle möglichen Informationen: Das Spektrum reicht von der Drehzahl des Motors, über die GPS-Position, bis hin zu Daten zu Wetter, Wind und Wellen. Daraus ermittelt die künstliche Intelligenz die optimale Route und Fahrweise. «Wenn man ein Auto oder eine Maschine sparsam bedient, spart man nicht nur Treibstoff und Ersatzteile, auch die Lebensdauer verlängert sich», sagt Daniel Grünenfelder, Geschäftsführer Schiffsbetrieb Walensee AG.

Die künstliche Intelligenz an Bord soll der Schiffsführerin oder dem Schiffsführer helfen, das Schiff möglichst schonend und effizient zu bedienen. «Für mich ist künstliche Intelligenz wie ein Hammer oder ein Schraubenzieher – sie ist ein Werkzeug. Wir Menschen müssen sie steuern und einsetzen können», so Grünenfelder. Es gehe auch darum, das Bewusstsein zu schärfen. «Wenn eine Schiffsführerin oder ein Schiffsführer auf einer Route unbewusst einen weiten Bogen fährt und das jeden Tag, dann sind das viele Kilometer mehr, die auch mehr Treibstoff verbrauchen.» Durch die Optimierungen dank künstlicher Intelligenz will die Schifffahrt auf dem Walensee bis zu 30 Prozent Treibstoff einsparen.

Emissionsfreier Antrieb Zukunftsmusik

Während das eine und andere der angefragten Unternehmen auch Fahrplanmassnahmen in ihre Überlegungen bezüglich Reduktion des CO2-Ausstosses einbezieht, will die Bielersee Schifffahrtsgesellschaft BSG nur Massnahmen prüfen, welche den Fahrplan nicht betreffen. Grundsätzlich sei die BSG sowohl dem Elektro- als auch dem Wasserstoffantrieb gegenüber tendenziell positiv eingestellt, so Erich Hofmann, technischer Leiter der BSG. Gleichzeitig hält er jedoch fest: «Derzeit gibt es keine CO2-freien Antriebe für die Schifffahrt, welche aus unserer Sicht auch markttauglich sind.» Der Antrieb sei das Eine, die gesamte Logistik jedoch das Andere, so Hofmann weiter. Trotz einer gewissen Zurückhaltung hat der emissionsfreie Schiffsbetrieb auf dem Bielersee bereits Einzug gehalten. «Von unseren neun Schiffen ist eines mit einer Photovoltaik-Anlage ausgerüstet und funktioniert vollelektrisch», hält Hoffmann fest.

Auch für den Neuenburger- und für den Genfersee ist der emissionsfreie Antrieb ihrer Schiffe momentan noch Zukunftsmusik. Die Schifffahrtsgesellschaft Neuenburger- und Murtensee LNM plant momentan die Anschaffung eines neuen, mittelgrossen Schiffes, das zu 100 Prozent elektrisch verkehren soll. «Das Umrüsten von bestehenden Schiffen auf klimaneutralen Antrieb ist aus technischen, regulatorischen und letztendlich auch aus Kostengründen sehr schwierig», hält Jean-Luc Rouiller, Generaldirektor der LNM, fest.

Bei der Schifffahrtsgesellschaft Genfersee CGN sind die Pläne für die Beschaffung eines klimaneutralen Schiffes noch etwas weniger weit fortgeschritten, aber auch ihr Ziel ist es, bei der nächsten Neubeschaffung auf ein klimaneutrales Schiff zu setzen. «Zudem sind die beiden neuen Naviexpress-Boote, die zwischen 2024 und 2025 ihren Dienst aufnehmen werden, mit Hybridmotoren ausgestattet,» so Mediensprecherin Mélanie Gay. Ein Teil der Fahrt könne im Elektromodus zurückgelegt werden. «Gemäss Testergebnissen verbrauchen die neuen Schiffe 35 bis 40 Prozent weniger Treibstoff als unsere anderen Schiffe.»

Hat den grossen Kollegen etwas voraus: Das ehemals dieselbetriebene Motorschiff wurde auf Elektrobetrieb umgerüstet und ist seit August 2022 als E-MS Heimat auf dem Greifensee im täglichen Kursschiffsbetrieb im Einsatz. Foto: Schifffahrtsgenossenschaft Greifensee

Die Kleine hat die Nase vorn

Sie hat bezüglich Klimaneutralität die Nase vorn: Die E-MS Heimat, bei der Schiffsgenossenschaft Greifensee beheimatet und täglich zwischen Maur und Uster im Einsatz. Die E-MS Heimat hat Baujahr 1933, ist eins der kleinsten Kursschiffe der Schweiz und bietet 60 Passagieren Platz. Sie war das erste Schiff, das komplett elektrifiziert und klimaneutral als Kursschiff auf einem Schweizer See unterwegs war.

Die Rahmenbedingungen für die Elektrifizierung der E-MS Heimat waren ideal: Unter anderem ist ihr Kurs zwischen Maur und Uster mit insgesamt zwei Kilometern kurz und erlaubt nach jedem Hin- und Rückfahrt-Turnus das Nachladen. Gespeist wird sie hauptsächlich von der eigenen Solaranlage auf dem Bürogebäude und die Gesamtkosten von 860 000 Franken wurden von Bund, Kanton, Gemeinden und Privaten mitgetragen. Auf die Frage, ob sich die E-MS Heimat im täglichen Einsatz bewährt habe meint Nik Scherer, Leiter Technik und Nautik der Schifffahrtsgenossenschaft Greifensee: «Ja, vollumfänglich und ohne Zweifel.»

Und wie steht es in Sachen Klimaneutralität mit all den nostalgischen Dampfschiffen, die auf vielen Schweizer Seen unterwegs sind? Schwer vorstellbar, dass sich da eine Lösung abzeichnet.

Doch tatsächlich zeigt sich auch am Dampfhorizont eine verhaltene Morgenröte: Als Ersatz für das heute bei Dampfschiffen verwendete Heizöl prüfen die Shiptec AG und die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee zusammen mit dem aus der ETH Zürich hervorgegangenen Start-up Synhelion den Einsatz eines synthetischen Kraftstoffs, der aus Sonnenenergie hergestellt wird. Der Solarbrennstoff gibt nur so viel CO2 in die Atmosphäre ab, wie für die Herstellung verbraucht wird. Er ist den fossilen Brennstoffen chemisch ähnlich und wäre kompatibel mit der historischen Technologie der Dampfschiffe.

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