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Nachtzüge – Chancen und Grenzen Rezepte vom Neuen im Nachtzug-Geschäft

European Sleeper-Chef Elmer van Buuren spricht über sein Geschäftsmodell, Subventionen und darüber, was sich in Europa ändern muss, damit Nachtzüge zu einem lukrativen Geschäft werden.

Er setzt auf die Zukunft des Nachtzugs: Elmer van Buuren, Mitbegründer von European Sleeper. Foto: zvg

Vom unrentablen Nischenangebot zum «gelebten Klimaschutz» und zu einem Symbol der Verkehrswende: Der Nachtzug hat eine erstaunliche Wandlung in der Wahrnehmung der europäischen Öffentlichkeit an den Tag gelegt.

Doch durch die Annahme, Nachtzüge taugten zum Massenprodukt und könnten als solches den europäischen Himmel leeren, mutierten sie in den vergangenen Monaten zur eierlegenden Wollmilchsau: Nach dem Willen der Befürworter sollen die Züge rasch, zahlreich und leicht verfügbar sein, dazu modern und komfortabel. Gleichzeitig soll das Angebot aber preislich so günstig wie Billigflieger sein, obwohl diese viel leichter skalierbar und daher billiger im Betrieb sind.

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Bei so einer überhöhten Erwartungshaltung sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Das bekam die ÖBB als neuer «Champion der Nacht» zu spüren, als sie Mitte Dezember bei ihren Nightjets dynamische Preise einführten, um die gestiegene Nachfrage besser abzuschöpfen (lesen Sie hier: Nachtzüge werden deutlich teurer). Dass die österreichische Staatsbahn für den Betrieb der neuen Paradestrecken Paris - Berlin oder Amsterdam - Wien gleichzeitig von den Ländern Millionen an Subventionen einstreicht, machte den Aufschrei in der Öffentlichkeit umso lauter.

European Sleeper: «Jetzt, oder nie»

Dass das Geschäft mit Nachtzügen auch ohne Subventionen erfolgreich betrieben werden kann, will European Sleeper beweisen. Das private, niederländisch-belgische Bahn-Startup verkehrt seit Ende Mai 2023 dreimal wöchentlich mit Schlaf-, Liege- und Sitzwagen zwischen Brüssel, Amsterdam und Berlin.

Und das durchaus erfolgreich: Seit dem Start im Mai hat das Unternehmen laut eigenen Angaben mehr als 25 000 Billette verkauft. Ab dem 25. März diesen Jahres wird der Sleeper-Zug in den Osten bis nach Dresden und Prag verlängert. Und ein Nachtzug Amsterdam-Barcelona soll den Betreibern zufolge 2025 oder 2026 folgen.

Karte: zvg
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Hinter dem neuen Bahnangebot stehen die Gründer, die Niederländer Chris Engelsman und Elmer van Buuren. Letzterer hat das Bahngeschäft von der Pike auf gelernt und war bei verschiedenen Staats- und Privatbahnen unter anderem als Zugbegleiter, Verkehrsleitungs-Disponent, Berater und in leitenden Funktionen tätig.

Er habe zwanzig Jahre von einem eigenen Eisenbahnunternehmen (EVU) geträumt, begründete Elmer van Buuren den Markteintritt von European Sleeper gegenüber dem VerkehrsMonitor. «Ich beschloss, wenn ich es schaffen will, dann jetzt, denn Nachtzüge sind in aller Munde.»

Die Finanzierung des neuen EVU war schwierig. Im Mai 2021 sammelte European Sleeper 500 000 Euro Startkapital durch den Verkauf von Anteilen an mehr als 350 Kleinanleger. In einer weiteren Runde wurden 2022 Anteile im Wert von zwei Millionen Euro an 1400 neue Investoren verkauft.

Um auch langfristige Investoren anzuziehen, hofft van Buuren auf eine weitere Liberalisierung des europäischen Schienenmarkts. Er sagt: «Wenn wir eine Rahmenvereinbarung über die Grenzen hinweg hätten, die garantiert, dass wir die Kapazität für die nächsten 10 Jahre erhalten, würde dies das Investitionsrisiko stark verringern.»

European Sleeper möchte mit weiterem Kapital das Angebot um einen Nachtzug Amsterdam - Barcelona erweitern. Foto: zvg
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Mit dem VerkehrsMonitor spricht van Buuren über:

… sein Nachtzug-Angebot ohne Subventionen

«Grundsätzlich betreiben wir Open-Access-Dienste, also keine Verkehrsleistungen im öffentlichen Interesse (Public Service Obligations, Anm. d. Red.). Daher erhält European Sleeper auch keine PSO-bedingten Zuschüsse. In Belgien verzichtet der Infrastrukturbetreiber Infrabel allerdings bis mindestens Ende 2024 darauf, Nachtzugbetreibern Trassenpreise und Energiekosten in Rechnung zu stellen. Von dieser Massnahme machen auch wir Gebrauch, denn sie erleichtert uns die Anlaufphase.»

Zum Geschäftsmodell des «Sleepers» gehört auch, dass das Unternehmen die industriellen Prozesse einfach und die Liste der Partner klein hält. Für die Traktion setzt es auf Traxx-Mehrsystemlokomotiven der belgischen Güterbahn Lineas, die Schlaf- und Liegewagen mietet es über eine im deutschen Crailsheim beheimatete Gesellschaft für Fahrzeugtechnik.

Doch was lässt van Buuren im Gegensatz zu ÖBB-Chef Andreas Matthä glauben, dass ein Nachtzug-Angebot ohne Subventionen rentabel sein kann? Hier gelte es, zu unterscheiden, sagt der Chef von European Sleeper: «Wir glauben, dass es viele Strecken gibt, die ohne Subventionen betrieben werden können. Beispielsweise sollten alle Verbindungen zwischen den Hauptstädten und anderen grossen Städten in West- und Mitteleuropa ohne Subventionen auskommen. Natürlich kann eine gemeinnützige Förderung sinnvoll sein. Etwa wenn ein Bahnunternehmen auf schwächeren Strecken in weniger bevölkerte Gebiete fährt, etwa von Berlin ins litauische Kaunas oder für die Strecke Paris - Aurillac.»

… was European Sleeper beim Ticketing besser macht

«Wir versuchen, unsere Fahrkarten bereits 6 Monate im Voraus zu verkaufen, selbst dann, wenn unser Fahrplan noch nicht bestätigt ist. Wenn sich der Fahrplan dann noch ändert, etwa aufgrund von Gleisarbeiten, informieren wir unsere Kunden über die Änderung. Der Kunde hat dann die Möglichkeit, diese zu akzeptieren (und erhält dann einen neuen Beförderungsvertrag). Oder er kann gegen eine 100-prozentige Rückerstattung die Buchung stornieren.»

«Betreiber wie die ÖBB halten dagegen die Buchung ihrer Züge in der Regel so lange geschlossen, bis der Fahrplan für einen bestimmten Tag zu 100 Prozent bestätigt ist, was manchmal nur wenige Tage vor dem Reisetag der Fall ist. Die ÖBB versuchen, kontinuierlich mehr Billette über ihre eigenen Kanäle zu verkaufen. Aber auf externen Absatzkanälen wie etwa international-bahn.de und den Kanälen anderer Betreiber halten sie den Verkauf immer noch geschlossen.»

… faire und transparente Vergabeprozesse

«Wir sind der Meinung, dass Fernverkehrsdienste zu 95 Prozent im freien Wettbewerb zugänglich sein sollten und daher keine Subventionen und keine Vergabe benötigen. Falls eine Subventionierung geplant ist, sollten die Strecken wenigstens öffentlich ausgeschrieben und nicht mehr direkt vergeben werden.»

«Fernverkehrsdienste sollten zu 95 Prozent im freien Wettbewerb zugänglich sein. Subventionen und Vergaben wären dann nicht nötig.»

Elmer van Buuren, Mitbegründer von European Sleeper

«Der ÖBB zum Beispiel werden ihre Betriebsverluste in der Anlaufphase ihres Nightjets von den Niederlanden mit 6,7 Millionen und von Frankreich mit 10 Millionen Euro ausgeglichen. Ich finde: Wo immer Fördermittel fliessen, sollten diese für alle Akteure gleich zugänglich sein.»

… faire Wettbewerbsbedingungen

«Gleichbehandlung unter den Eisenbahnunternehmen könnte auch gefördert werden, indem alle Betreiber Zugang zu den Vertriebskanälen etablierter Betreiber wie der Deutschen Bahn (DB) und der ÖBB erhalten würden. Diese Vertriebskanäle sind im öffentlichen Interesse als vererbte Infrastruktur zu betrachten – sie sollten deshalb den Reisenden auch eine komplette Auswahl sämtlicher Angebote und Optionen ermöglichen.»

«Genauso wichtig sind aber faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber der Konkurrenz von Luft und Strasse. Dafür müsste unter anderem:

  • Auf die Erhebung von Mehrwertsteuern auf Zugfahrkarten verzichtet werden – wie dies bei Flugtickets der Fall ist.

  • Keine Steuern mehr auf den Energieverbrauch auf der Schiene erhoben werden – die Kerosinsteuer ist schliesslich auch weggefallen.

  • Keine Trassenpreise pro Trassenkilometer mehr erhoben werden – Fernbusse beispielsweise zahlen ja auch keine solche Maut.

  • Trassenpreise zumindest so gering wie möglich gehalten werden und nur zur Deckung der direkten Betriebskosten (Instandhaltung) und nicht zur Deckung von Infrastrukturinvestitionskosten dienen.»

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