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Erhöhung der Trassenpreise Akteure im Schienengüterverkehr schlagen Alarm

Die Transportunternehmen fürchten eine Rückverlagerung auf die Strasse, falls das BAV die Preise für die Nutzung des Schienennetzes wie geplant erhöht – und die Bevorzugung einer einzelnen Konkurrentin.

BLS Cargo wehrt sich gemeinsam mit anderen Güterverkehrsunternehmen gegen höhere Trassenpreise. Foto: Georgios Kefalas (Keystone)

Die Verkehrsverlagerung auf die Schiene ist für die Schweizer Mobilitätswende von entscheidender Bedeutung. Doch das Ziel droht weiter in die Ferne zu rücken – denn die Nutzung des Schienennetzes könnte bald teurer werden.

Aktuell arbeitet das Bundesamt für Verkehr (BAV) an der Anpassung der Trassenpreise für die Jahre 2025 bis 2028. Dabei handelt es sich um das Entgelt, welches Bahnverkehrsunternehmen für die Benutzung des Schienennetzes bezahlen müssen. Die Preise richten sich nach den sogenannten Grenzkosten, also an den Infrastrukturkosten, die ein Zug durch das Befahren einer Trasse verursacht.

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Den definitiven Entscheid über die Preise fällt das Bundesamt im Frühjahr 2024. Doch schon jetzt deuten die Zeichen auf eine Erhöhung hin.

Der Grund: Die SBB als Infrastrukturbetreiberin macht in der Offerte für die Netznutzung gegenüber der letzten Periode Mehrkosten von jährlich rund 60 Millionen Franken geltend. «Die zur Konsultation unterbreitete Erhöhung ist das Resultat dieser von den SBB ermittelten Mehrkosten», sagt BAV-Michael Müller auf Anfrage des VerkehrsMonitors.

«Güterverkehr wird überproportional belastet»

Das stösst verschiedenen Güterverkehrsunternehmen sauer auf. In einer kürzlich eingereichten, gemeinsamen Stellungnahme kritisieren BLS Cargo, DB Cargo, Hupac und railCare die geplante Preiserhöhung – und warnen vor den Folgen.

Die rezessive oder stagnierende Wirtschaft habe aktuell auf der ganzen Welt einen Rückgang des Güterverkehrs zur Folge, schreiben sie. In Europa gingen die Transportvolumen im Kombinierten Verkehr seit Mitte 2022 kontinuierlich zurück. «Eine Erhöhung der Infrastrukturkosten ist da äusserst kontraproduktiv.»

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Die Befürchtung der Unternehmen: Während der Strassentransport möglicherweise die Preise senke, um bei sinkendem Volumen eine ausreichende Auslastung zu erzielen, führe eine Preiserhöhung des Schienenverkehrs unweigerlich zu einer Rückverlagerung auf die Strasse.

Die Schweizer Trassenpreise gehörten heute schon zu den höchsten in Europa, monieren die Schienentransporteure. Und nun belaste die Erhöhung ausgerechnet den Güterverkehr übermässig stark. Dies vor allem wegen der Veränderung einer einzigen Preiskomponente.

Teurer Verschleiss

Der Trassenpreis berücksichtigt nämlich auch den Verschleiss, welchen die Züge auf dem Schienennetz bewirken. Und dieser sogenannte Verschleissfaktor soll um 18,5 Prozent von 0,33 auf 0,39 Rappen pro Bruttotonnenkilometer steigen. Damit wollen die SBB zum einen ihre durch Abnützung entstehenden Grenzkosten abdecken. Zum andern soll damit ein Anreiz geschaffen werden, damit die Unternehmen in neues, schienenfreundliches Rollmaterial investieren.

Praktisch gleichzeitig werden die Stromkosten ab 2024 von 12 auf 14 Rappen pro Kilowattstunde erhöht. «Für den Güterverkehr mit seinen schweren Zügen sind genau diese beiden Elemente die massgeblichen Werte im Mix der Infrastrukturkosten», kritisieren die Güterverkehrsunternehmen. Je nach Strecke und Zug erhöhten sich ihre Preise dadurch um rund 30 Prozent.

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Ihr Fazit zur geplanten Revision: «Die Erhöhung des Verschleissfaktors dient der Kostendeckung des Infrastrukturbetreibers, trägt nicht zur beschleunigten Renovierung der Wagenflotte bei und verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Strasse.»

Die Unternehmen fordern deshalb das BAV auf, den Basispreis für den Verschleiss gleich zu belassen und den Bahnstrom weiterhin für 11 Rappen pro Kilowattstunde zu ermässigen.

BAV verlangt von SBB weitere Abklärungen

Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung lassen sich die internationalen Trassenpreise nur schwer miteinander vergleichen. Doch fest steht, dass die Schweizer Preise tatsächlich höher sind als im Ausland.

Dies ist aber zumindest teilweise erklärbar. In erster Linie ist es eine Folge des besseren Netz-Ausbaustandards sowie der höheren Verkehrsdichte und Lohnkosten, was sich in höheren Infrastrukturkosten niederschlägt. Im Gegenzug erhalten die Güterverkehrsunternehmen aber auch mehr Qualität und mehr Verfügbarkeit als beispielsweise im deutschen Schienennetz.

«Das BAV wird beim endgültigen Entscheid die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene berücksichtigen.»

Michael Müller, Mediensprecher Bundesamt für Verkehr

Die Kritik der Firmen an der geplanten Preiserhöhung verhallt beim Bundesamt für Verkehr trotzdem nicht ungehört. Auf Anfrage des VerkehrsMonitors betont BAV-Sprecher Müller, noch sei die Anpassung nicht beschlossene Sache. «Das BAV wird beim endgültigen Entscheid die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene berücksichtigen.» Zudem habe das Amt bei den SBB weitere Erklärungen zur geplanten Kostenerhöhung verlangt.

Kritik an intransparenter Berechnung

Die Güterverkehrsakteure stören sich aber nicht nur daran, dass die Infrastrukturbetreiberin SBB die Grenzkosten erhöhen will, sondern auch am Berechnungsprozess an sich. «Im Rahmen der Mitwirkung hatten wir keinen Einblick in die Herleitung der Mehrkosten», sagt Dirk Stahl, Chef von BLS Cargo. Sein Unternehmen habe die fehlende Transparenz durch SBB Infrastruktur und das BAV denn auch kritisiert.

Ebenfalls auffallend ist, dass bei der gemeinsamen Stellungnahme der wichtigste Player im Schweizer Schienengüterverkehr fehlt: SBB Cargo.

Im Sommer gaben die SBB bekannt, das Güterunternehmen wieder als hundertprozentige Tochterfirma in den Konzern zu integrieren. In der Folge sitzt SBB Cargo bei der Trassenpreis-Erhöhung nun ein erstes Mal zwischen Stuhl und Bank – und äussert sich erwartungsgemäss nur sehr zurückhaltend zu den Plänen einer anderen, firmeneigenen Division.

Konkret schreiben die SBB: Das Bahnunternehmen habe «nach Abwägung der verschiedenen internen Interessen» Stellung genommen zur geplanten Erhöhung der Trassenpreise.

Die Auswirkungen der Kostenerhöhungen seien tatsächlich insbesondere beim Güterverkehr spürbar, bestätigt SBB-Mediensprecher Moritz Weisskopf. «Deshalb regen wir wegen der angespannten Kostensituation im Bahngüterverkehr an, diese Mehrkosten zu kompensieren.» Ob und wie das geschehen soll, müsse aber das BAV und letztlich die Politik entscheiden.

Branche befürchtet Wettbewerbsverzerrung

Einen konkreten Vorschlag, wie genau das geschehen könnte, schieben die SBB gleich selbst nach: Sollten sich Bundesrat und Parlament zu einer Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) durchringen, bestünde die Option, die Kompensation für den Bahngüterverkehr dort einzubauen, so der SBB-Sprecher.

Genau das möchten die anderen Wettbewerbsteilnehmer, die nicht im Geschäft mit dem unrentablen EWLV tätig sind, aber gerade nicht. Der Grund dafür liegt auf der Hand – im Gegensatz zu den SBB gingen sie leer aus.

«Gerade mit Blick auf neue Subventionen für den EWLV machen wir uns Sorgen, dass hier pauschale Abgeltungen an ein Unternehmen – konkret SBB Cargo – dazu führen können, dass es zu Querfinanzierungen in Wettbewerbssegmente kommt», sagt Dirk Stahl von BLS Cargo. Denkbar wäre etwa eine Querfinanzierung ins Segment des Ganzzugsverkehr, in dem auch die BLS Cargo und weitere Transportfirmen um Kunden und Marktanteile kämpfen.

Stahl fordert deshalb: «Der Bund muss verhindern, dass neue Subventionen den Wettbewerb verzerren, indem sie den EWLV künstlich besserstellen und bestehende Wettbewerbsverkehre kannibalisieren.»

Er fürchtet, Subventionen des Einzelwagengeschäfts könnten den Wettbewerb im Schienengüterverkehr verzerren: Dirk Stahl, CEO von BLS Cargo. Foto: Peter Schneider (Keystone)

Andere Marktakteure pflichten dem CEO von BLS Cargo bei. Nicht wenige in der Branche der verladenden Wirtschaft befürchten, dass die Reintegration der SBB-Gütertochter zu ungleich langen Spiessen unter den Anbietern führt.

Das zeige sich etwa im Plan des Aufbaus einer SBB-eigenen Terminalinfrastruktur. Aber auch in der Trassenpreisfrage. Denn die geplante Preiserhöhung schwäche die Wettbewerbsfähigkeit der SBB-Konkurrenz stark, während die hauseigene Gütertochter zumindest indirekt von den Mehreinnahmen von SBB Infrastruktur profitierten, so die Befürchtung.

«Die geltenden Finanzierungsregeln lassen nicht zu, dass Mittel aus abgeltungsberechtigten Bereichen in den Güterverkehr fliessen.»

Moritz Weisskopf, SBB-Mediensprecher

Einen solchen Vorteil verneint die SBB. Die Herausforderung, mit steigenden Kosten umzugehen, stelle sich für jede Unternehmung gleich. «Die geltenden Finanzierungsregeln lassen nicht zu, dass Mittel aus abgeltungsberechtigten Bereichen in den Güterverkehr fliessen», betont Sprecher Weisskopf.

Das BAV bestätigt dies. Subventionsrechtlich seien solche Quersubventionen untersagt. Dazu führe das Amt regelmässig Prüfungen durch.

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